AG 9: Geschriebene und gesprochene Sprache als Modalitäten eines Sprachsystems
Martin Evertz, Universität zu Köln
Frank Kirchhoff, Universität zu Köln
Abstract
Die traditionelle Annahme, dass die Schriftsprache direkt von der gesprochenen Sprache abgeleitet ist, hat sich in jüngerer Forschung als problematisch erwiesen (vgl. für einen Überblick Dürscheid 2012). Primus (2003) spricht sich gegen eine direkte Ableitung aus und postuliert ein Schnittstellenmodell, in dem gesprochene und geschriebene Sprache Modalitäten eines übergreifenden Sprachsystems sind. Die geschriebene Sprache korrespondiert in diesem Modell mit Subsystemen der Sprache (Phonologie, Morphologie, Syntax, etc.) und bildet mit der gesprochenen Sprache Schnittstellen.
In der Literatur ist bereits eine modalitätsübergreifende Phonologie im Begriff, sich zu etablieren (vgl. Domahs & Primus 2015). In dieser AG soll untersucht werden, welche neuen Einblicke in Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Laut- und Schriftsprache ein solcher modalitätsübergreifender Ansatz gewährt und inwiefern dieser Ansatz darüber hinaus auch für andere Teilgebiete der Linguistik fruchtbar ist.
Diese AG richtet sich an SchriftsystemforscherInnen und an SprachwissenschaftlerInnen aus anderen Teilgebieten der Linguistik, die sich mit der Schnittstelle zur Schrift aus empirischer, theoretischer, historischer oder didaktischer Sicht auseinandersetzen.
Zu den Fragen, die in dieser AG untersucht werden, gehören u.a.:
- Welche sprachlichen Einheiten kommen in beiden Modalitäten vor und wie unterscheiden sie sich modalitätsspezifisch?
- Welche Schnittstellen-Phänomene können beobachtet werden?
- Welche Untersuchungsmethoden (Experimente, Korpora, Datenbanken) bieten sich für modalitätsübergreifende Ansätze an?
- Wie kann ein modalitätsübergreifendes Modell didaktisch genutzt werden?
Literatur
Domahs, Ulrike & Beatrice Primus. 2015. Laut – Gebärde – Buchstabe. In Ekkehard Felder & Andreas Gardt (eds.), Sprache und Wissen. 125–142. Berlin/ New York: de Gruyter.
Dürscheid, Christa. 2012. Einführung in die Schriftlinguistik. Grundlagen und Theorien. 4. überarb. und akt. Aufl. Göttingen: UTB.
Primus, Beatrice. 2003. Zum Silbenbegriff in der Schrift-, Laut- und Gebärdensprache – Versuch einer mediumunabhängigen Fundierung. Zeitschrift für Sprachwissenschaft 22. 3–55.
Programm
Mittwoch, 24. Februar 2016 | |
14:00 – 14:30 | Martin Evertz & Frank Kirchhoff: Einführung und Überblick |
14:30 - 15:00 | Andreas Nolda: Script types: Definitions and classifications |
15:00 - 15:30 | Hartmut Günther: Schrift- und Lautsprache – eine Übersetzungstheorie |
15:30 - 16:00 | Monika Budde: Modalitätsübergreifende und modalitätsspezifische Strukturaspekte sprachlicher Äußerungen: Auf welchen Beschreibungsebenen können sich modalitätsspezifische Unterschiede manifestieren? |
16:00 - 16:30 | Kaffeepause |
16:30 - 17:00 | Karsten Schmidt: Das Wort als zentrale Einheit der Graphematik |
17:00 - 17:30 | Vilma Symanczyk Joppe: Nur ein Reflex der Morphosyntax? Das graphematische Wort in Norm und Gebrauch |
17:30 - 18:00 | Fabian Renz: Expressive Intensitätspartikeln in gesprochener und geschriebener Sprache |
Donnerstag, 25. Februar 2016 | |
9:30 – 10:00 | Tilo Reißig: Verknüpfungsstrukturen listenmodaler Texte – Schnittstellenphänomene und modalitätsspezifische Ausprägungen |
10:00 - 10:30 | Janina Kalbertodt, Beatrice Primus & Petra Schumacher: Right dislocations and afterthoughts: the effects of punctuation and discourse structure on prosody |
10:30 - 11:00 | Ilka Huesmann & Frank Kirchhoff: Interpunktion und Intonation bei Interjektionen im Deutschen |
11:00 - 11:30 | Kaffeepause |
11:30 - 12:00 | Katharina Turgay & Daniel Gutzmann: |
12:00 - 12:30 | Kristian Berg: Homophone und Heterographen |
Freitag, 26. Februar 2016 | |
11:30 – 12:00 | Nana Fuhrhop: Silbenkerne im Spannungsfeld zwischen Laut und Schrift oder Silbenkerne als modalitätsübergreifende Einheit |
12:00 - 12:30 | Silke Hamann: One phonotactic restriction for reading and listening: The case of the no geminate constraint in German |
12:30 - 13:00 | Sabine Wahl: Gesprochen, geschrieben, gesungen – Sprache in Werbespots |
13:00 - 13:30 | Schlussbemerkungen |